...und nun saß er dort in seiner auf Hochglanz aufpolierten Wohnung,ergraut und müde,

der Laternenmann.

Sein Leben hatte sich im Laufe der Jahre verändert,denn er blickte nie zurück,war er doch stets aufgeschlossen zu neuen Dingen,zu neuen Veränderungen,und fühlte sich verpflichtet

sich neuen Trends anzuschließen,denn er war ein moderner Mann.

Heute schrieb er massenweise E-mails anstelle von persönlichen Briefen,und heute

erledigte er seine Bankgeschäfte von seinem Schreibtisch aus...

diese Methode "Online -Banking" ersparte ihm den Besuch bei der Bank,bei der Dame,

bei dem Herrn am Auszahlschalter.

Einst las er in echten Büchern,gemütlich bei einer Tasse Tee auf dem Sofa,oder las

abends im Bett und wenn er müde war,legte er es zufrieden auf dem Nachttisch

und knipste das Licht aus.

Heute zugegen übernahm seine kleine süße Maus mit einem kurzen "Klick" das

Blättern in den Seiten,speicherte präzise ab auf Zeile und Wort,und in einem Abwasch zogen Eselsohr und Kaffeeklecks für immer vondannen.

Internet war doch eine geniale Erfindung,denn schon bald konnte er der Verlockung nicht mehr widerstehen,und lockte sich schlicht und einfach mit Passwort im Online shop ein. 

Toll dachte er,wie raffiniert,bot und schloss in letzter Sekunde mit dem Klick

auf dem Button...ab.

Und einst bewunderte man ihn für seinen ausgeprägten Orientierungssinn,ja und wenn er mal auf Hilfe angewiesen war,so dann studierte er seine Straßenkarte oder machte sich

kundig am Taxistand.

Ahh,zum Glück sind diese Zeiten ein für alle mal vorbei,murmelte er vor sich her,als

er den Namen einer Straße im Navigationsgerät eingab:

Willy Brandt Allee 1963...

 

Hatten seine Eltern noch nicht einmal ein Haustelefon,so verfügte er heutzutage

über nahezu unbegrenzte Möglichkeiten der Verständigung.

Oh ja,man kann es einfach nicht anders sagen,sie waren so unwiderstehlich und

umgarnend,sprich schlichtweg paradiesisch.

 

Und noch mehr hatte sich zum Positiven entwickelt,er hatte Freunde gefunden,ja

echte Freunde;jeden Sonnabend zählte er sie alle mit dem Rechner durch:

zweihundertundfünfzig und achtundzwanzig sind zweihundertachtundsiebizg,

zweihundertachtundsiebzig und dreihundertundvierzig machen sechshundertundachtzehn.

Insgesamt zählte er eintausendachthundertundzweiundzwanzig Freunde.

Er kannte jeden einzelnen,zwar nicht persönlich,aber er wusste alles von ihnen.

Er erstellte Block und Kreisdiagramme,führte Ur und Ranglisten nach Größe,Alter,

Gewicht,Geschlecht männlich/weiblich und notierte dazu Mittel und Zentralwerte,

denn er war ein gewissenhafter Mann.

Er fläzte sich gerade in seinem neuen Mercedes-Benz Sofa,als er ein verdächtiges Geräusch oben vom Speicher vernahm.

"Pling" offenbar war etwas Metallisches zu Boden gefallen,und im Schreck fiel ihm dabei ein,dass er mindestens seit dreißig Jahren den Dachboden nicht mehr betreten

hatte,und ehrlich gesagt,war er bei ihm in völliger Vergessenheit geraten.

 

Beklemmend und etwas Unbehaglich holte er den Speicherschlüssel vom Haken in der Besenkammer und ging Schritt für Schritt ganz leise die Holzstufen zum Boden

hinauf.

Das Holz knarzte,und ehe er vor der Tür stand,den Schlüssel in die Öffnung des Schlosses

steckte,herumdrehte,die Klinke herunterdrückte um die alte Holztür aufzudrücken,

fing sein Herz plötzlich an laut und heftig bollernd an zu schlagen.

Er drehte am schwarzen Knopf des Schalters links neben der Tür,und ein schwach schimmerndes Licht ließ den Raum sanft erleuchten.

Er machte vorsichtig einen Schritt nach vorn;da,es flitschte etwas Flaches vor

seinen Füßen her,und blieb drehend und tanzend vor ihm liegen.

Ein Schlüssel,ein Schlüssel mit Flügeln,welcher ihn an irgendetwas erinnerte,aber es fiel ihm beim besten Willen nicht ein.

 

Sein Blick kreiste um sich,alles war ordentlich und sauber mit weißen Leinentüchern

abgedeckt,wohl um etwa Möbelstücke vor dem Zustauben zu schützen?

Den Schlüssel hielt er fest in seiner rechten verschwitzten Hand,und während er ihn dabei

abtastete und versuchte sich zu erinnern,verhedderte er sich mit dem linken Schuh in

eine Kordel,machte dabei einen Satz nach vorn,stolperte über ein auf dem Boden liegendes Kehrblech,geriet ins Trudeln,klammerte sich im Fall an einem Zipfel eines

Tuches fest,und riss dabei von der Wand.

Mit dem Kopf schepperte er gegen eine Waschschüssel und fluchte in sich hinein:

Autsch,und hielt sich mit der Hand die Stirn.

 

Er richtete sich auf,riss die Augen ungläubig auf und starrte gedankenlos auf eine

Wanduhr.

 

"Junge,Jüngelchen,du musst dich um mich kümmern,du musst dich um mich sorgen,du musst mich pflegen,denn ich bin eine kümmere und pflege dich um mich Uhr"

Bitte zieh,bitte zieh mich auf,aber bitte ganz...ich bin Hedwig die Küchenuhr.

 

Wie verzaubert blickte er auf den Schlüssel in seiner Hand,öffnete das Glastürchen

der Uhr,und steckte den Schlüssel passgenau in die Öffnung in der Mitte.

 

Ein Pfeil zeigte die Richtung entgegen des Uhrzeigersinns,eins,zwei,fünf,neun,dreizehn,

vierzehn,fünf...zehn,dann spürte er den Widerstand und die Uhr war aufgezogen.

Er berührte behutsam den großen Zeiger,und das Uhrwerk fing an zu schlagen.

 

Ahhh,dan....ke seufzte die Uhr...tick tack tick tack...ich bin Hedwig,ich bin von nun an die Uhr deiner Erinnerungen,deiner Erinnerungen,deiner Erinnerungen.

 

Seine rehbraunen großen Kulleraugen spiegelten und blinzelten sich sich im Glastürchen

der Uhr zu,und er stammelte vor sich her: Er,Er,Er...innerungen,welche Er...